Kaum haben wir den Reissverschluss des Tarnzelts geschlossen, steigt unsere Anspannung und Ungeduld. Wir haben uns vorgenommen, für etliche Stunden still im Tarnzelt zu sitzen und auf die Motive zu warten. Trotz guter Vorbereitung betreffend Essen und Trinken scheinen unsere guten Vorsätze schon bald wie weggeblasen. Nach einer Viertelstunde fragen wir uns bereits, ob wir das Tarnzelt richtig positioniert haben und weshalb die Bienenfresser wohl nicht auf dem Busch vor uns landen möchten. Als nach einer halben Stunde immer noch kein Vogel auf dem Ansitz gelandet ist, sind wir schon leicht genervt. Dass Dominic und ich nicht zu den geduldigsten Fotografen gehören, ist uns schon vor der Reise bewusst gewesen. Doch wie sollen wir es nun mehrere Tage im Tarnzelt aushalten, v.a. wenn die Motive nicht wie erhofft mitspielen wollen? Ab und zu ziehen uns die Bienenfresser ein wenig den Speck durch den Mund, in dem sie in der Nähe unseres Verstecks vorbeifliegen.
Die exotisch anmutenden Vögel jagen über der Wiese fleissig Insekten in der Luft. Ab und zu erwischen sie auch – ihrem Namen alle Ehre machend – eine Biene.
Da sie unterdessen immer wieder ganz nahe an unserem Versteck vorbeifliegen, konzentrieren wir uns vorerst auf Flugaufnahmen der akrobatischen Flieger. Aus dem Tarnzelt, mit einem etwas eingeschränkten Sichtfeld und etwas limitierter Beweglichkeit des Objektivs, sind Flugaufnahmen – für mich zumindest – eine noch grössere Herausforderung als sonst schon. Action- bzw. Flugaufnahmen zählen bisher leider (noch) nicht zu meinen Spezialitäten. Höchste Zeit also, dies zu trainieren. Zu Beginn bin ich schon glücklich, wenn ich einen Bienenfresser in der Ferne erwische. Je kürzer die Distanz zum vorbeifliegenden Motiv, desto schneller und präziser müssen Fotograf und Kamera arbeiten. Dementsprechend klein ist zu Beginn meine Erfolgsrate.
Erfreulicherweise fliegen die Bienenfresser jedoch einen Moment lang sehr häufig neben uns vorbei, sodass ich viele Möglichkeiten zum Üben erhalte. Irgendwann sind die Kamera und ich ein eingespieltes Team. Als ich dann auch noch die ungefähren Flugbahnen der Bienenfresser abschätzen kann, steigt der Anteil an brauchbaren Aufnahmen sprunghaft an – auch wenn ich immer noch um ein Vielfaches mehr Ausschuss produziere. Auf einmal geht die Zeit im Tarnzelt schnell vorbei, zumindest so lange, wie die Bienenfresser direkt vor unserem Zelt am Jagen sind.
Die Bienenfresser sind leider nicht frühmorgens aktiv, sondern erst, wenn die Sonne schon höher am Horizont steht und die Insekten zu fliegen beginnen. Dies mag aus der Sicht der Bienenfresser logisch sein, ist aus der Sicht des Fotografen aber sehr ärgerlich. So ist das gute Licht schon vorbei, bis die Bienenfresser auftauchen und wir können nur auf eine uns gnädig gestimmte Wolke warten. Dafür ist es möglich, in der Dämmerung um halb sechs eine Trainingseinheit zu absolvieren und danach ins Tarnzelt zu schlüpfen, um auf die Bienenfresser und Wolken zu warten. Dumm nur, wenn die einzige Wolke just in dem Momement vorbeizieht, in dem die Bienenfresser inaktiv bzw. weit weg am Jagen sind. So bleibt uns nicht viel anderes übrig, als auf eine nächste Wolke zu hoffen und zu warten. Immerhin hat die Kamera einen flexiblen Monitor und erlaubt es, auch einmal im Tarnzelt zu liegen.
Trotz unserer Inaktivität (wir sitzen oder liegen im Tarnzelt) steigt unser Puls beim Warten ab und zu an: Unser Tarnzelt befindet sich mitten auf einer Weide einer Mutterkuhherde mit Kälbern und einem imposanten Stier. Kommen sie in die Nähe unseres Zeltes, sorgen sie für etwas Abwechslung und Schweisstropfen bei uns. Wir kontrollieren nun laufend die Position und Körpersprache der einzelnen Tiere. Wir rätseln darüber, als was die Kühe unser Tarnzelt wohl wahrnehmen? Riechen sie, dass Menschen darin sind? Zum Glück halten sie es zumindest vorerst nicht für eine Kratzbürste und reiben sie sich nicht am Zelt oder kommen auf andere komische Ideen. Gegen eine Kuhherde wären wir trotz des umfangreichen Lauftrainings (wohl) chancenlos. So sind wir auf jeden Fall froh, als die Kuhherde langsam weiterzieht und der Stier nicht mehr zwei Meter neben unserem Versteck steht. Vor lauter Aufregung ist nun sogar so viel Zeit verstrichen, dass eine Wolke das harte Licht dämpft.
Mehrere Tage hintereinander verbringen wir auf der Kuhweide, immer in der Hoffnung auf möglichst viele Bienenfresser(anflüge) und Wolken bei möglichst wenig Kühen rund um unser Zelt. Unseren Rekord im Tarnzelt haben wir auf über zwölf Stunden pro Tag gesteigert. Wir trainieren also nicht nur unsere Fähigkeiten in der Flugfotografie, sondern auch unser Sitzleder bzw. unsere Geduld. Dafür können wir das Leben der Bienenfresserkolonie aus nächster Nähe beobachten und ihr Verhalten studieren.
Nachdem der Partner aufgeregt gerufen worden ist, gesellt sich dieser daneben. Bei der Landung ist allerdings Vorsicht angebracht, damit nicht gleich beide Bienenfresser wieder vom Ast fallen.
Die sandigen Schnabelspitzen verraten, dass dieses Paar gerade mit dem Höhlenbau beschäftigt ist. Immer wieder wechseln sie sich ab, während der oder die PartnerIn die Umgebung überwacht. In Eintracht gönnt es sich eine kleine Pause vom Bau ihrer Brutröhre.
Es geht jedoch längst nicht immer so friedlich zu und her bei den Bienenfressern. Immer wieder kommt es zu Streitereien zwischen gleichgeschlechtlichen Vögeln unterschiedlicher Paaren (so vermute ich jedenfalls). Energisch wird der Konkurrent verscheucht, wenn er zu nahe kommt.
Mit Sicherheitsabstand landet der Bienenfresser elegant auf der Spitze des Weissdorns.
Am letzten morgen bilden sich endlich (Schleier-) Wolken am Himmel. Zu unserer Freude spielen auch die Bienenfresser mit. Anstatt die Sekunden zu zählen, zählen wir nun die Bilder bzw. den verbleibenden freien Speicherplatz auf der Karte. Sobald sich ein Bienenfresser bewegt, fotografieren wir im Serienbildmodus. So entstehen immer wieder Momentaufnahmen, welche von blossem Auge schnell übersehen werden. Unüberhörbar ist jedoch, dass sich die Bienenfresser immer wieder lautstark die Meinung sagen.
Ihre Rufe und Gefiederfarben sind für Vögel in Europa etwas besonderes und bringen einen Hauch Tropen zu uns im Sommerhalbjahr. Der bei uns vorkommende Bienenfresser ist der einzige Vertreter dieser Familie in Europa. Kein Wunder, habe ich jedes Mal das Gefühl, in tropischen Gefilden zu sein, wenn ich sie beobachten kann.
Die schillernden Farben des Gefieders schreien nahezu nach einer Detailaufnahme. Allerdings beträgt die Distanz zum Bienenfresser trotz Tarnzelt noch mehrere Meter. Selbst mit dem Zweifach-Konverter entsteht noch nicht das gewünschte Bild, weshalb ich für einmal einen etwas stärkeren Ausschnitt am Computer vornehmen muss.
Vier Tage haben wir vergeblich auf Balzaktivitäten der Bienenfresser gehofft. Nebst ein paar zögerlichen Annäherungsversuchen offerierte das Männchen dem Weibchen mehrmals eine Biene, welches jedoch davon noch nichts wissen wollte. Ob die Bienenfresser-Pärchen zu sehr mit dem Graben der Brutröhre beschäftigt sind? Kurz bevor wir unsere Zelte für die Rückreise abbrechen müssen, versucht es das Männchen noch einmal und möchte seiner Partnerin ein Brutgeschenk überreichen. Diese ist vom Geschenk zuerst alles andere als angetan. Mehr als kritisch beäugt die Angebetete das Geschenk. Nur eine Fliege?! Es scheint, als ob sich das Weibchen mit der Fliege nicht zufriedengeben möchte. Hätte der Partner doch bloss eine Biene, einen farbenfrohen Schmetterling oder eine Libelle gefangen…
Die Partnerin nimmt das Geschenk zu unserer Überraschung dann doch noch an. Kaum hat sie die Fliege geschluckt, springt das Männchen auf den Rücken der Partnerin. Während die Bienenfresser sich um die Zeugung der nächsten Generation kümmern, laufen unsere Kameras im Tarnzelt am Anschlag.
Selten habe ich so viele Fotos in so kurzer Zeit angefertigt. Nun ist es jedoch für uns höchste Zeit zusammenzupacken und von den Bienenfressern Abschied zu nehmen. Die letzten Stunden im Tarnzelt sind für einmal wie im Fluge vergangen. Mit unterdessen vollen Speicherkarten und beinahe leeren Akkus – insgesamt hatte ich über 11’000 Bilder von den Bienenfressern angefertigt – machten wir uns wieder auf den Rückweg. So konnte ich auch zurück in Zürich noch viele Abende Bilder aussortieren und in Erinnerungen an die Kuhweide bei den Bienenfressern schwelgen.
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