Auf dem «Rückweg» von den Geiern haben Manuel Schulz und ich noch einen längeren Zwischenstopp im Rhonedelta eingelegt. Die aufmerksamen LeserInnen unter euch werden sich nun vielleicht fragen: Was, schon wieder? Wird das denn nicht langweilig? Nein, denn die Dichte an Vögeln und deren Diversität ist beachtlich. Praktisch an jedem Tümpel gibt es etwas Neues zu entdecken und die fotogenen Rosaflamingos (Phoenicopterus roseus) sind allgegenwärtig. Zudem hatte ich noch mehrere Bildideen, welche ich umzusetzen hoffte.
Nach den schroffen Felsen und engen Schluchten bei den Geiern ist es in der Camargue topfeben, Dämme bzw. Beobachtungstürme bilden die höchsten Erhebungen. Die Gesänge der Grasmücken, Pieper und Lerchen sorgen für eine wunderbare Geräuschkulisse. Immer wieder werden sie übertönt von den schrillen Tönen der Stelzenläufer (Himantopus himantopus) und Austernfischer (Haematopus ostralegus) oder vom lautstarken Geschnatter der Flamingos. In der Luft liegt ein Hauch von Meer, Algen und Schlick. Dabei geniesse ich gerade die letzten Bissen des Baguettes mit Olivenpaste – Camargue-Feeling pur!
Da die Flamingos während den letzten Reisen im Zentrum gestanden sind (die Beiträge dazu könnt ihr hier lesen), möchte ich nun eigentlich vermehrt andere Motive ablichten. Doch schon am ersten Abend sind es einzig die Flamingos, welche sich im Licht einigermassen nahe präsentieren….
Mit der Hoffnung auf einige farbenfrohe Sonnenauf oder -untergänge sind wir angereist – vor dem geistigen Auge sind schon unzählige Bilder entstanden. Jetzt müssten nur noch die Motive und das Licht mitspielen…
Der Blick auf die Wettervorhersage dämpft dann unsere Hoffnung bereits etwas: Es soll während mehreren Tagen bewölkt sein. Vielleicht irrt sich ja die Wetterprognose, reden wir uns ein. Es bräuchte nur einen schmalen wolkenlosen Streifen am Horizont zu Sonnenauf oder -untergang, und die Lichtshow wäre grandios. So stehen wir Morgen für Morgen vor Sonnenaufgang auf – jedoch ohne auch nur einmal einen Schimmer Hoffnung am Horizont zu erblicken. Daher müssen uns die frisch gebackenen Pains aux chocolat von der Bäckerei die morgendlichen Ausflüge vorerst als «Frustessen» versüssen 😉
Die Schlechtwetterphase verlängert sich gemäss dem Wetterbericht fortlaufend. Verzweifelt checken wir die verschiedenen Apps: Vielleicht kann uns ja immerhin eine App etwas mehr Zuversicht geben…
Einen Vorteil haben die Wolken allerdings: So brennt die Sonne mittags nicht vom Himmel, und wir können den ganzen Tag über mit weichem Licht Fotografieren. Dies nutzen wir aus, um verschiedene Orte zu erkunden. Schliesslich ist es auch ein Ziel gewesen, neue Arten zu fotografieren. Gespannt suchen wir mit dem Feldstecher jeweils den Schilfrand oder die Büsche ab; immer mit der Hoffnung, neue Vogelarten zu finden. Dabei können wir auch Raritäten wie das Purpurhuhn (Porphyrio porphyrio) entdecken. Am häufigsten sehen wir jedoch die Rosaflamingos – kein Wunder, sie sind mit ihrer Gefiederfärbung und Grösse nur schwer zu übersehen und auch nicht besonders scheu.
Ein aufziehender Sturm mit Windgeschwindigkeiten von über 80 km/h erschwert dann das Fotografieren. Mit dem Teleobjektiv (freihand) Aufnahmen zu machen gleicht einer Lotterie, wenn schon nur ruhig stehen eine kleine Herausforderung ist. Mit hoher Geschwindigkeit rollen die Wellen auf den Strand zu. Fotografieren ist nur für ein kurzes Zeitfenster möglich: nach wenigen Minuten ist die Ausrüstung dank der Gischt feucht-klebrig, ideale Bedingungen, damit auch möglichst viele umherfliegende Sandkörner daran haften bleiben. Eine Reinigungsversuch mit Blasebalg und Micro-Fasertuch ist zwecklos, sodass wir schon bald wieder den Rückzug antreten und anschliessend die Ausrüstung in der Wohnung trocknen und gründlich reinigen müssen. Mit seiner Wucht schüttelt der Wind auch im Hinterland das Gefieder der Flamingos noch ordentlich durch.
Bei den ansonsten eher langweilig-monotonen Lichtverhältnissen versuchen wir durch die Wahl der Ausschnitte oder Belichtungsstechniken doch noch einige «spezielle» Fotos zu kreieren. Auch falls schlussendlich alle Experimente in den Papierkorb wandern sollten, hätten wir ja nicht viel verpasst… Soweit kommt es dann aber doch nicht, einige Fotos überleben das Aussortieren sowie die Selektion für die Veröffentlichung auf dem Blog. Auf den Fotos sollte jedoch immer noch ansatzweise erkennbar sein, um welche Art es sich handeln könnte. Die charakteristisch gelb gefärbten Zehen verraten den Seidenreiher (Egretta garzetta). Geduldig warten die Reiher auf den nächsten kleinen Happen am Kanal.
Die langen Füsse der dicht beieinander stehenden Flamingos verleiten dazu, etwas mit der Belichtungszeit zu spielen. Fast scheint es, als sei der Flamingo gefangen in einem Käfig aus Flamingo-Füssen.
Gelegentlich kämpft sich die Sonne erfolgreich durch die Wolken und zaubert einige Flares auf den Sensor. Zwar ist dies nicht gerade das goldene Licht, aber besser als nichts, nach mehreren Tagen ohne Sonnenschein. Zur Abwechslung gelingt es uns auch einmal eine andere Art zu Fotografieren: Einige Säbelschnäbler (Recurvirostra avosetta) halten sich zu unserer Freude in einem Tümpel nahe der Strasse auf.
Und dann geschieht es doch noch: Die Sonne scheint tatsächlich auch abends! Vor lauter Freude über den Sonnenschein muss ich wohl etwas zu euphorisch gewesen sein, so dass ich die Temperatur auf dem Balkon etwas falsch einschätze. Ein kalter Wind fegt noch immer über die Lagune und bringt das Gefieder der Mittelmeermöwe (Larus michahellis) durcheinander.
Daher ist mir nach etwas mehr als eineinhalb Stunden, trotz Pullover und Jacke, ziemlich kalt und ich beginne am ganzen Körper zu zittern. Spätestens als ich die Flamingos kaum mehr sehen kann, realisiere ich, dass ich besser schleunigst in die Ferienwohnung zurück eilen sollte. In der Wohnung angekommen, bringen mich der heisse Tee und der wärmende Schlafsack langsam wieder auf Betriebstemperatur.
Zum Glück hat meine Nachlässigkeit keine negativen Auswirkungen und ich kann in den nächsten Tagen weiter fotografieren. Am letzten Abend entsteht am Himmel endlich einmal das lang ersehnte Feuerwerk: Mehrere Minuten leuchtet der Himmel in den verschiedensten Gelb- und Rottönen. Wir können uns kaum satt sehen, nur kriegen wir fast kein Foto zustande: Natürlich stehen nun die gefiederten Motive am falschen Ort oder fliegen auf der falschen Höhe an uns vorbei. Sind wir nach einer Woche Wolken und Sturm schon aus der Übung gekommen?
Nun hoffen wir auf einen gelungenen Abschluss am nächsten Morgen. Und für einmal werden wir nicht enttäuscht: Eine Gruppe Flamingos läuft kurz nach Sonnenaufgang durch den See. Nun gibt es am letzten Morgen zum ersten Mal Pain aux chocolat, um eine gelungene Tour während dem Sonnenaufgang zu «feiern». Somit gibt es immer einen guten Grund, den kleinen Umweg zur Bäckerei auf sich zu nehmen 😉
So haben wir in den letzten zwei Tagen doch auch noch spektakuläre Lichtstimmungen erlebt und uns wird vor Auge geführt, was alles möglich wäre, wenn das Wetter mitspielen würde (mal abgesehen von den Motiven). Daher existieren viele Bilder nach wie vor nur als Idee… Wie könnte demnach unser Fazit lauten?
Richtig, wir sollten mindestens noch ein weiteres Mal ins Rhonedelta fahren, um die Bildideen umzusetzen 😉
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