Die Beine und das Gesäss schmerzen vom langen Sitzen auf dem Boden, könnte ich mich doch nur einmal strecken! Jedoch warte ich in einem kleinen Versteck auf die Motive. Aufmerksam lausche ich den Geräuschen der Natur, die Vogelstimmen sind überwältigend: Kuckuck, Turteltaube und Pirol singen um die Wette, von weitem ertönt der Ruf des Grossen Brachvogels. Und da sind ja noch die Sujets, derentwegen ich in dieser unkomfortablen Position auf der Kiesbank sitze: Mit dem farbenfrohen Gefieder gewännen sie so manchen Beauty-Contest und der Maler müsste wohl die gesamte Farbpalette benützen, um ihre Pracht einzufangen. Sie sind die einzigen Vertreter einer ansonsten in den Tropen und Sub-Tropen vorkommenden Familie , kein Wunder erinnert mich der exotisch anmutende Ruf der Bienenfresser eher an einen Besuch im Zoo. «Prüt prüüt» ertönt es direkt neben mir und ich kann sogar die Flügelschläge hören, wenn sie direkt über mich hinweg fliegen.
Freude über das Erlebnis breitet sich aus und lässt die schmerzenden Sitzhöcker vergessen: Um möglichst nahe bei den Bienenfressern zu sein, haben wir ein kleines Tarnzelt erstellt. So verschmelzen wir praktisch mit der Umgebung und können die Bienenfresser bei ihrem natürlichen Verhalten ungestört beobachten. Der kleine Preis für das Eintauchen in die Welt der Bienenfresser: Für mehrere Stunden kann die Position nicht gross verändert werden – nicht gerade ideal für den Bewegungsdrang meiner Beine.
Nur gibt es noch ein weiteres “Problem”: Die Bienenfresserkolonie liegt inmitten einer Mutterkuhherde mit Stieren. Ob deren Gastfreundschaft sind wir uns zu Beginn nicht ganz sicher. Fast scheint es, als ob sich der Stier überlegt, die Stabilität unserer improvisierten Tarnzeltkonstruktion zu testen. Immerhin hat es dem Blick des Bullen stand gehalten, zur physischen Belastungsprobe ist es zum Glück nicht gekommen – wäre ja auch ein unfairer Vergleich zweier unterschiedlichen Gewichtsklassen gewesen
Mit dem Fotografieren der Bienenfresser verbinde ich spezielle Emotionen, sind sie vor acht Jahren doch eine der ersten Arten gewesen, welche ich mit einer Spiegelreflexkamera fotografiert habe. Bis heute sind sie eine meiner Lieblingsarten geblieben. Seither habe ich mehrfach erfolglos versucht, die exotisch anmutenden Vögel vor die Linse zu bekommen. Dementsprechend aufgeregt bin ich nun, als sie direkt vor mir in einem Weissdorn landen. In den acht Jahren hat sich nicht nur meine Fotoausrüstung verändert, sondern eigentlich auch meine Bildsprache. Da ich jedoch nur wenig Zeit bei den Bienenfressern verbringen kann, möchte ich nichts riskieren. Daher habe ich auf Experimente verzichtet und eher dokumentarische Bilder angefertigt. Bunt und auffällig sind dieses Mal ja bereits die Motive 😉 Wäre ja doof, nach acht Jahren des Wartens alle Bilder in den Papierkorb verschieben zu müssen, nur weil der Mitwischer verwackelt ist…
Wie es der Namen verrät, ernähren sich die Bienenfresser von (grösseren) Fluginsekten, wie z.B. Bienen oder Hornissen, welche sie im Flug erbeuten. «Tack tack tack» klopft es auf einmal auf den Ast gleich hinter dem Tarnzelt: Ein Bienenfresser entfernt geschickt den Stachel einer Biene, indem er sie gegen den Ast schlägt.
Der Chitin-haltige Insektenpanzer (der Bienenfresser frisst das ganze Insekt auf einmal) ist nur schwer verdaulich. Daher spucken sie es, ähnlich wie die Eulen das Gewölle, wieder aus.
Dank der Ernährung von Grossinsekten profitieren die Bienenfresser vom Klimawandel: Vom Mittelmeerraum kommend, dehnt sich ihr Verbreitungsgebiet immer mehr auch in nördlichere Gefilde aus. Haben sie in der Schweiz in den 90er Jahren nur unregelmässig gebrütet, wächst der Bestand seit 2005 praktisch kontinuierlich und sie besiedeln unterdessen sogar Gebiete in Nord-Deutschland.
Immer wieder setzen sie sich auf die Kiesbank. Gut möglich, dass sie die Sonnen- und Wärmeeinstrahlung nutzen, um Parasiten im Gefieder abzutöten. Dabei kommt es immer wieder auch zu kleineren Streitigkeiten, dabei hätte es ja wahrlich genug freie Kieselsteine, um sich drauf zu setzen 😉
Nun hoffe ich, dass ich nicht wieder geschlagene acht Jahre warten muss, bis ich die farbenprächtigen Vögel das nächste Mal fotografieren darf. Vielleicht habe ich dann mehr Zeit und getraue ich mich, ein paar neue Perspektiven und Techniken auszuprobieren!
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Wieder ganz fantastische Bilder, vielen Dank!