Über Ostern war ich für eine Woche in Südfrankreich im Rhonedelta, um (Vögel) zu fotografieren. Nach den Besuchen im Vorjahr war ich begeistert vom Artenreichtum in dieser Gegend und der Vielfalt an Lebensräumen auf kleinem Raum: Durch das Wechselspiel von Feuchte und starker Sonneneinstrahlung reisst die Erde bei trockenen Bedingungen rasch auf. So trennen oft nur wenige Meter den schlammigen Untergrund in der Lagune vom ausgedorrten, harten Boden.
Mein Interesse in dieser Woche galt vor allem einer Art: dem Rosaflamingo (Phoenicopterus roseus). Mit dem langen Hals, den langen Beinen bzw. Füssen (mehr dazu später) und dem krummen Schnabel sind die Flamingos eine unverwechselbare Erscheinung.
Als rosa farbene Punkte sind sie oftmals schon von weitem in den Lagunen zu erkennen, wo sie auf Nahrungssuche sind. Ihr Schnabel ist mit Lamellen versetzt, durch die die Kleinstlebewesen wie durch ein Sieb gefiltert werden. Dazu wird meistens der ganze Kopf in das (schlammige) Wasser gehalten, sodass das zarte Rose auch einmal hinter einer Schlamm-Maskerade verschwinden kann…
Sie ernähren sich von aquatischen Invertebraten wie den Artemia, einer Gattung der Kiemenfüsser, welche einen hohen Karotinoid-Gehalt aufweist und für die rosa Färbung der Flamingos verantwortlich ist. Allerdings ernähren sie sich nicht ausschliesslich von tierischer Nahrung, Pflanzen stehen ebenfalls auf dem Speiseplan. Der auf dem Foto ersichtliche „Knick“ im Bein ist nicht, wie erwartet werden könnte, das Knie, sondern das Fussgelenk. Da soll mir nochmals einer sagen, ich hätte grosse Füsse…
Die charakteristischen Farben und Formen der Flamingos haben mich dazu verleitet, verschiedene Bildausschnitte und Aufnahmetechniken auszuprobieren.
Wie ein Strichcode sehen die zahlreichen Beine aus, wenn ihre Besitzer eng beisammenstehend ruhen.
Neben den Flamingos und dem “Pain au chocolat” in der Bäckerei war auch der Mistral (starker Wind) während meines Aufenthaltes in Südfrankreich omnipräsent. Allerdings hätte ich auf diesen gut verzichten können…
Denn in der Nacht rüttelte er wie wild am Zelt (und mich dadurch wach), als wollte er die Verankerung der Heringe testen; während dem Tag pfiff der Wind durch Mark und Bein und sorgte für gefühlt eher winterliche Temperaturen denn mediterranes Feeling. Bei Windgeschwindigkeiten von über 50 km/h wurde auch das Velofahren zu einer kleinen Herausforderung: Bei Gegenwind verdoppelte sich gefühlt die Fahrzeit und Böen verursachten eine schlangenförmige Fahrtlinie. Zusätzlich, und das war eigentlich der gewichtigste Nachteil, versteckten sich verständlicherweise viele Singvögel lieber im Dickicht als dass sie auf einer exponierten Sitzwarte sangen. In Meeresnähe peitschte der Wind die Gist ins Gesicht und überzog so innert kürzester Zeit die Ausrüstung und mich mit vielen winzig kleinen (Salz-)Wassertröpfchen. Das Velo wurde von Sand und Salz in Mitleidenschaft gezogen, gegen Ende der Woche waren deutliche Gebrauchsspuren zu sehen.
Immerhin hielten sich die Stechmücken ebenfalls nur im Gestrüpp auf und mieden die windigen Stellen. Bei dem starken Wind war es jedoch so gut wie überall windig, sprich Mücken-frei. Für mich hätte es auch ein Kompromiss getan: etwas Wind und dafür weniger oder keine Mücken. Zwischen „Mückenplage“ und „Sturm“ gäbe es ja noch etliche Zwischenvarianten…
Den Flamingos schien der Wind jedoch nicht viel anhaben zu können: Sie ruhten mitten auf dem See während der Mistral mit voller Wucht über die Wasserfläche fegte, am Stativ rüttelte und so manche Aufnahme verwackelte. Bei dieser Aufnahme sind einzelne Flamingos jedoch aufgrund ihrer eigenen Bewegung während der etwas längeren Belichtungszeit unscharf.
Manchmal reicht das Wasser den Flamingos bis (fast) zum Rumpf, wobei Grossgewachsene etwas länger ein trockenes Bauchgefieder behalten. Sie haben jedoch auch kein Problem wie Enten zu schwimmen und besitzen auch Schwimmhäute zwischen den Zehen.
Spektakulär sind die Starts der Flamingos: Anders als z.B. Reiher starten sie nicht mit einem kräftigen Abstoss, sondern rennen mithilfe ihrer Schwimmhäute ein Stück über die Wasseroberfläche.
Nur zwei Mal standen sie morgens in einer einigermassen passenden Position, ohne dass gleichzeitig eine Wolke den Sonnenaufgang verdeckte.
Auch in kleinen Tümpeln, neben dem Veloweg und inmitten der typischen Vegetation der Camargue hielten sie sich auf.
Die Männchen werden etwas grösser und schwerer als die Weibchen. Von Zehen- bis Schnabelspitze können sie bis zu 180cm lang werden, wobei der Durchschnitt bei 120-140cm liegt. Bricht die Sonne im letzten Moment des Tages doch noch durch die Wolken, ist für spannendes Licht gesorgt und der vermeintlich graue Tagesabschluss verwandelt sich nicht selten in ein kleines Feuerwerk.
Nachdem ich die obige Flamingo-Gruppe fotografiert hatte, wollte ich noch eine weitere Lagune in der Nähe aufsuchen. Da der Himmel jedoch nur für kurze Zeit einer Farbexplosion gleicht, ist dies ein Wettlauf gegen die Zeit. So habe ich schnellstmöglich meine Ausrüstung eingepackt und bin mit dem Fahrrad zuerst durch den Sand und dann über einen holprigen Weg mit Steinen und Schlaglöchern gefahren. Hätte ich doch nur etwas breitere Reifen an meinem Stadtvelo…
Spätestens da habe ich gemerkt, dass Mountainbike-Techniktraining auch zum Fotografieren hilfreich sein kann: Ohne das wäre ich wahrscheinlich in einer sandigen Kurve ausgerutscht, hätte einen Platten eingefangen oder wäre schlicht zu spät bei der nächsten Lagune angekommen. So hat es gerade noch für einige Aufnahmen gereicht, bevor der Autofokus aufgrund des spärlichen Lichts nicht mehr fokussieren konnte.
Eine Stunde davor konnte ich, sozusagen als Beifang bei den Flamingos, noch eine Elster (Pica pica) fotografieren.
Neben den Flamingos gibt es mit den zahlreichen Reiherarten noch weitere, eher grosse, Vögel in der Camargue, welche lange Beine bzw. Füsse haben.
Kurz nach Sonnenuntergang trafen die ersten Graureiher (Ardea cinerea)in der Lagune ein. Wie aus dem Nichts tauchten immer mehr auf: Aus allen Himmelsrichtungen kamen sie angeflogen und versammelten sich im seichten Bereich, um auf Fischfang zu gehen. Aufgrund der fortgeschrittenen Stunde war nicht viel mehr als die Silhouette der Vögel zu erkennen.
Wie Geister schienen sie in der Lagune zu schweben, durch lange Belichtungszeiten wurden die Bewegungen ersichtlich.
Wie die Reiher durch die Fische und Krebse angelockt wurden, schien ich die Stechmücken aus der Umgebung anzuziehen. Trotz Handschuhen und Tarnkappe als Schutz musste ich bereits am ersten Ferientag als Abendmahl für etliche der kleinen Plagegeister hinhalten. In der Lagune jagen neben den Graureihern auch Seidenreiher (Egretta garzetta), sie haben einen deutlich aktiveren Jagdstil und sind auch mitten am Tag anzutreffen.
Die Reiher brüten in Kolonien in den Bäumen. Flogen Artgenossen in der Nähe durch und landeten auf ihren Nestern, machten sich die Nachbarn lautstark bemerkbar (hier im Bild ein Graureiher).
Kurz darauf konnte ich auch noch einen lange gehegten Wunsch von mir erfüllen: Ein Tier vor dem Vollmond zu fotografieren. Wieder stand ein Graureiher Modell.
Zur Zugzeit rasten hunderte Limikolen an den Lagunen und am Strand. Sie verstärken sich an dem mit Insekten und anderen Kleinlebewesen reich gedeckten Tisch für die Weiterreise in den Norden. Während die meisten Arten jeweils in grösseren Gruppen unterwegs waren, begegnete ich einzelnen Goldregenpfeifern (Pluvialis apricaria).
Auf der Suche nach dem nächsten Imbiss sprinteten sie der Uferkante entlang.
An mehreren Tagen war es mehrheitlich bewölkt, so dass ich auch mitten am Tag Fotografieren gehen konnte. Dies nützte ich aus, um am Strand nach Limikolen zu suchen, wobei ich auf eine kleine Gruppe Steinwälzer (Arenaria interpres) stiess.
Speziell gefreut habe ich mich über die Dünnschnabelmöwen (Chroicocephalus genei). Vor einem Jahr konnte ich sie in der Camargue zum ersten Mal beobachten, jedoch immer nur auf grosse Distanz. Nun hatte ich mehr Glück und sie näherten sich mir mit etwas Geduld bis auf wenige Meter. Sie jagten kleine Fische, welche sie schwimmend verfolgten und mit dem Schnabel erbeuteten.
Durch den Streik der SNCF wurde mein Aufenthalt noch um einen Tag verlängert (wobei es an dem Tag das erste Mal richtig schön und warm wurde und ich mich somit über die Verlängerung gefreut habe). Eigentlich gibt es einen Streikplan auf der Homepage des SNCF, jedoch scheint der nicht wirklich eingehalten zu werden, wie ich erfahren durfte: Auf dem Rückweg stellte ich in Grenoble am Bahnhof fest, dass mein Anschlusszug nach Genf wegen des Streiks ausfällt. Da fragt man sich, wozu es einen Plan gibt, wenn er nicht beachtet wird?
Beim Reisen mit dem Zug musste ich feststellen, dass ich beim Gewicht des Gepäcks wohl langsam die Grenze des (Er-)Tragbaren erreicht habe, v.a. dann, wenn weniger als vier Minuten ausreichen müssen, um in Genf umzusteigen und durch den Zoll zu gehen.
In der Woche erlebte ich verschiedenste Lichtsituationen und verbrachte viel Zeit beim Fotografieren unterschiedlicher Motive. So reiste ich mit vielen tollen Eindrücken und zahlreichen Fotos zurück in die Schweiz (die zum Glück das Gewicht des Gepäcks nicht noch weiter erhöht haben), eine Auswahl zu treffen für diesen Beitrag fiel daher nicht immer leicht.
2 Comments
Sehr schön, ich liebe die pastele Ton.
Dein webseite wird direct in meine favoris, weiter so 😉
Eine sehr schöne Reisebeschreibung erzählst du hier. Klasse. Das ist schon sehr anstrengend mit der Bahn und dem gesamten Gepäck samt Velo zu reisen.
So bepackt, nur ohne Velo , fühlte ich kürzlich auch, als ich von der Oberlausitz erst mal mit der Bahn bis zum Norden reiste… und von dort allerdings weiter mit dem Auto bis Cuxhaven um dann mit der Fähre nach Helgoland über zu setzen. Also, Respekt für deine Reise! Gratulation zu den tollen Fotos der Flamingos und Co.! Viele Grüße, Sonja Haase