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Mit dem Feldstecher suche ich das Feuchtgebiet ab. Schon bald schauen mich zwei leuchtend-gelbe Augen an. Die Sumpfohreule (Asio flammeus) fliegt direkt auf mich zu, während die Kamera noch im Rucksack versorgt ist. Daher geniesse ich meine Erstbeobachtung einmal “nur” durch den Feldstecher.
Da sie immer wieder die in etwa gleiche Strecke fliegen, packe ich eilig die Ausrüstung aus und mache mich bereit. Keine zehn Minuten später sehe ich sie wieder auf mich zufliegen und kann meine ersten Fotos der Sumpfohreule machen.
Die besten Chancen, die Sumpfohreulen zu entdecken, bieten sich an, wenn sie am Jagen sind: dazu fliegen sie auf dem offenen Gelände relativ knapp über der Vegetation. Sie sind jedoch sehr gut getarnt und kaum auszumachen, wenn sie im hohen Gras sitzen. Selbst auf einem Schwemmholz ruhend können sie schwierig zu entdecken sein, v.a. wenn das Gebiet mehrere Kilometer umfasst.
Nach Sonnenuntergang landet eine Eule unweit von mir im Gras. Ich versuche mir den Ort einzuprägen und pirsche mich vorsichtig ein wenig näher heran.
Zu meiner grossen Freude hüpft sie gar noch ein paar Meter auf mich zu!
Die nächsten vier oder fünf Ausflüge zu den Eulen dämpfen die Euphorie ein wenig, meist entstehen keine brauchbaren Fotos der Eulen. Dafür treffe ich einen pelzigen Mausjäger an, mehr dazu in einem späteren Beitrag.
In der Gegend von Vancouver treffen die ersten Sumpfohreulen Mitte bis Ende Oktober ein, um hier zu überwintern. Wie der Name besagt, ist diese Eulenart v.a. in den Feuchtgebieten zuhause: In Vancouver sind dies die Marsche der Küstenregionen. Allerdings sind die “Feder-Ohren” nur sehr selten zu sehen, da ist der englische Name Short-eared owl zutreffender.
Die Sumpfohreule gehört zu jenen Eulenarten, welche am ehesten bei Tageslicht anzutreffen sind. Während der Brutzeit sind sie rund um die Uhr aktiv und am Jagen, während sie im Winter gemäss Literatur die Dämmerungsstunden bevorzugen. Jedoch habe ich sie des Öfteren auch mitten am Tag fliegen sehen. Mit ruhig rudernden Flügelschlägen und kurzen Gleitphasen fliegen sie über das Sumpfgebiet, um senkrecht nach unten zu stürzen, wenn sie eine Maus entdeckt haben.
Bei diesen Krallen bin ich froh, deutlich grösser zu sein als eine Maus 😉
Wenig später taucht die Eule mit der Beute zwischen den Fängen auf. Meinen Wunsch, auf einem natürlichen Ansitz zu landen, scheint sie aber ignoriert zu haben. Trotzdem möchte ich das Bild als Dokumentation zeigen. Nachdem die Maus geköpft wurde, wurden die Innereien herausgezogen (siehe Foto). Der Rest wurde dann in einem Anlauf heruntergeschluckt. Sumpfohreulen ernähren sich hauptsächlich von Mäusen und anderen kleinen Nagetieren.
Der Sonnenschein auf den vorigen Bildern spiegelt jedoch nicht annähernd das Wetter im Monat November in Vancouver wieder: Regen. Während drei Wochen hat es gefühlt nur einmal geregnet. Der Unterschied bestand höchstens in der Intensität des Niederschlags; Nieselregen konnte fast schon als schönes Wetter aufgefasst werden…
Ein Ausflug kann sich aber auch dann lohnen: Während der Regen mit voller Wucht gegen die Fenster des Buses prasselt und die Scheibenwischer am Anschlag laufen, frage ich mich zwar, ob es wirklich eine gute Idee gewesen ist, Fotografieren zu gehen. Schliesslich muss ich noch sechs Kilometer mit dem Fahrrad durch den strömenden Regen zum Feuchtgebiet fahren. Bis ich den Ort erreiche, bin ich bereits leicht durchnässt. Die Sumpfohreule scheint allerdings noch weniger begeistert zu sein vom Wetter als ich (so zumindest interpretiere ich den Blick), kein Wunder ohne warme Dusche in Aussicht.
Mehr als eine Stunde bleibt sie auf dem gleichen Ast sitzen. Das ist die Gelegenheit, verschiedene Perspektiven auszuprobieren. Unablässig prasselt der Regen auf die Kapuze, der Einsatz eines Schirms wird durch den Wind erschwert bzw. verunmöglicht.
Mein Zimmer wurde nach dieser Fotosession in einen Trocknungsraum umgewandelt, es dauerte zwei Tage bis der Rucksack wieder trocken war. Beim nächsten Ausflug ein paar Tage später gab es zur Abwechslung nur leichten Regen.
Pünktlich zum Ende der Uni Prüfungen erreichte eine mehrtägige Schönwetterphase Vancouver. Auf dem nächsten Bild ist ansatzweise erkennbar, dass die Grösse der Pupille in jedem Auge einzeln, entsprechend der Lichtintensität, angepasst wird. Die (rechte) Pupille auf der beschatteten Gesichtshälfte ist leicht grösser (damit mehr Licht auf die Netzhaut fällt) als die linke, welche direkt von der Sonne angestrahlt wird.
Gefiederpflege steht bei den Eulen hoch im Kurs, immer wieder putzen und schütteln sie sich. Diese hat jedoch einen Grashalm von der vorigen erfolglosen Jagd vergessen…
Für kein “Foto-Projekt” habe ich ihn Vancouver mehr Zeit investiert als in jenes mit den Sumpfohreulen. Zu sehr war ich von ihnen fasziniert, sodass ich immer wieder bei ihnen vorbeigeschaut habe. Locals haben mir erzählt, dass es dieses Jahr auch besonders gut ist zum Fotografieren dieser Eulen. Mit ein Grund, wieso ich so oft auf der Suche nach ihnen war.
6 Comments
Mit diesen Fotos hast du wiedereinmal den Vogel abgeschossen!
Chapeau!!!
Sehr schön, Flurin!
Hallo Flurin,
Wunderschön!!
Vielen Dank für diese tollen Fotos!
sylvaine
Was für ein tolles Erlebnis, um das man dich echt beneiden kann. Und dann noch in freier Wildbahn und ich Kanada… da hattest du aber eine gute Ortskenntnis, das du dort diese besonderen Eulen getroffen hast. Gratuliere. Auch Kanada… ein beneidenswerter Urlaub!
Weiterhin viele tolle Motive vor der Linse wünscht dir Sonja.
Beeindruckende Aufnahmen!
Ich mag Eulen sehr, deine Bilder und die Geschichten dazu sind top.
Grüße aus Berlin
Manuela
Eine sehr schöne Seite!