Nachdem die Sumpfohreulen und Schneegänse alles andere als kooperativ gewesen waren, machte ich mich leicht enttäuscht auf den Heimweg. Immerhin hatte der Ausflug am frühen Morgen mit dem Fahrrad an das andere Ende der Stadt einen Trainingseffekt, redete ich mir ein – und die Stimmung war ja auch ganz nett. Nur die Speicherkarte war so gut wie leer geblieben…
Doch auf einmal sah ich im Augenwinkel etwas hinter der Hecke verschwinden auf dem Golfplatz nebenan. Wenig später tauchte das Tier hinter der Hecke wieder hervor und meine Vermutung bestätigt sich: ein Kojote (Canis latrans) stand auf der anderen Seite des Zaunes.
Doch wieso musste der gerade auf dem perfekt gepflegten Green stehen? Satt grüner und regelmässiger geschnitten könnte die Unterlage nicht sein!
Nach einer Weile verlor ich ihn aus den Augen, er musste sich wohl irgendwo auf dem Golfplatz versteckt haben.
Um die Wartezeit zu verkürzen, fotografierte ich einen Kanadareiher nebenan im Marsch und ärgerte mich, wieso sich der Kojote nicht auf dieser Seite des Zaunes aufhalten konnte.
Auf einmal wird der Kanadareiher jedoch nervös und fliegt unter lautem Gekreische davon. Da ich keine offensichtliche Störung ausmachen kann, steigt mein Puls: Kommt der Kojote? Vorsichtig drehe ich mich um und sehe den Kojoten keine 20 Meter hinter mir davonlaufen in Richtung Röhricht.
Irgendwie muss ich ihn nun ein- und überholen, bevor er im hohen Schilf verschwindet, jedoch ohne dass ich ihn erschrecke. Dies ist mit meiner Körperlänge in der offenen Landschaft ein nicht ganz einfaches Unterfangen…
Zum Glück hält er kurz inne, der Moment um ein Foto zu schiessen.
Sobald er wieder weiterläuft, setze ich ebenfalls zu einem weiteren Bogen an. Auf einmal springt er auf ein grosses Schwemmholz. Mein Puls ist vor Aufregung und dem Laufen durch den Marsch gefühlt auf 180, was das freihändige Fotografieren nicht gerade erleichtert.
Es reichte noch für eine weitere Serie, bevor er hinter den Schilfhalmen verschwunden war.
Die Speicherkarte hatte sich so in kurzer Zeit doch noch gefüllt, überglücklich fuhr ich dann wieder mit dem Fahrrad auf den Campus zurück.
Ein paar Tage später hörte ich das erste Mal einen Kojoten heulen. Augenblicklich fühlte ich mich in die kanadische Wildnis versetzt. Wahrscheinlich auch nur durch meine Assoziationen mit dem nahen verwandten Wolf (Canis lupus). Denn der Kojote ist so etwas wie der kleine Bruder des Wolfs, sie sehen sich äusserlich ziemlich ähnlich. Der Wolf ist jedoch deutlich grösser, der Kojote wiegt nur ca. 20kg und ist ungefähr ähnlich gross wie ein Labrador. Kojoten gelten als intelligent und sehr anpassungsfähig, sie können auch mitten in den Städten in unmittelbarer Nähe zum Menschen leben.
Anders als bei anderen grossen Beutegreifern konnte auch intensive Bejagung durch den Menschen ihren Bestand bis jetzt nicht drastisch reduzieren. Im Gegenteil, sie scheinen von den Veränderungen der Ökosysteme durch den Menschen zu profitieren. Zum Beispiel dezimierte der Mensch weitgehend die Apex-Prädatoren wie Wolf und Puma (v.a. in den USA), welche dem Kojoten gefährlich werden können. Auch wenn es zwischen Wölfen und Kojoten selten sogar zur Hybrid-Bildung kommen kann, ist der Wolf normalerweise ein wichtiger Prädator des Kojoten: ein klassisches Beispiel von asymmetrischer Intraguild-Prädation (= eine Art frisst die andere, welche ein ähnliches/gleiches Nahrungsspektrum aufweist).
An einem anderen Morgen entdeckte ich einen Kojoten beim Mausen. Nach einer kurzen Beobachtungszeit versuchte ich seine Laufrichtung abzuschätzen, in dem Moment schien er entlang eines kleinen Waldstücks zu laufen. So schnell wie nur möglich mit Bergschuhen, Kamera in der einen und Stativ in der anderen Hand, sowie dem Fotorucksack auf dem Rücken rannte ich auf die andere Seite des Waldstücks, um mich vor dem Kojoten in Position zu bringen.
Sich unbemerkt anzuschleichen ist nicht ganz einfach, wenn das Wasser im Marsch zu einer dünnen Eisschicht gefroren ist, welche bei jedem Schritt mit einem lauten Krachen zu zerbrechen droht. Die vermeintlich sicherere Alternative sind Holzstämme und –stücke, welche jedoch mit einer glitschigen Schicht aus gefrorenem Regen und Raureif versehen sind. Ausrutscher können nur mit hastig rudernden Armen aufgefangen werden, auch nicht gerade optimal, möchte ich mich doch eigentlich möglichst unbemerkt dem Kojoten annähern. Als Zuschauer muss dies ziemlich amüsant ausgesehen haben…
Der Kojote scheint sich zum Glück jedoch nicht stören zu lassen und kommt immer näher auf mich zu.
Um seinen Nahrungsbedarf zu decken, muss der Kojote ca. 600g Fleisch fressen am Tag. Dafür wird eine Menge Mäuse benötigt, weshalb ihm auch eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Mäusepopulationen zukommt.
„Hide and seek“ mit dem Kojoten: Während ich mich hinter einem Baumstamm verstecke, läuft er beim Jagen direkt auf mich zu.
Schlussendlich ist er so nahe, dass Portraits-Aufnahmen möglich sind. Ohren gespitzt, Augen auf und Nase nach unten, das ist seine typische Haltung auf der Suche nach dem nächsten Snack.
An der Länge des Blogbeitrags werdet ihr leicht festgestellt haben, wie sehr mich diese grossen Beutegreifer begeistert haben.
Und falls es mir gelungen ist, etwas von dieser Faszination zu übertragen, so überlegt euch doch beim nächsten Kauf einer Winterjacke, ob es wirklich eine Canada Goose mit Pelz sein muss. Jener Pelz stammt nämlich von Kojoten, welche mit Fallen gefangen worden sind. Dies bedeutet, dass sie meist ein bis mehrere Tage verletzt und verzweifelt in der Falle festsitzen, bis der Trapper vorbeikommt und das Tier erlegt…
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