Schon über 100 km habe ich auf einer Schnellstrasse zurückgelegt, ohne auch nur einen Baum gesehen zu haben oder an einem Dorf vorbeigekommen zu sein. Diese unglaublichen Weiten der Sahara beeindrucken und faszinieren mich immer wieder aufs Neue. Für das Velofahren verlangen sie allerdings auch eine gute Vorbereitung: Die nächste Ortschaft, zugleich mein Tagesziel, ist immer noch über 100 km entfernt. Kein Wunder, verschlägt es in diese Gegend nicht allzu viele Velofahrerinnen und Velofahrer. Auf Strava – einer Plattform für Sportlerinnen und Sportler – bin ich der erste, der diese Strecke am Stück absolviert hat, und dies obwohl es die Hauptstrasse von Tan-Tan zur Provinzhauptstadt Smara in der Westsahara ist.
Dank Rückenwind habe ich das Gefühl, durch die Sahara zu fliegen. Auch wenn zwischen einzelnen Kurven dutzende Kilometer liegen können, wird es dadurch nie wirklich langweilig. Zu sehr befinde ich mich im Flow und Temporausch. Mit – zumindest für mich und mit Gepäck – unglaublichen 39 km/h brettere ich südwärts. So dürften sich Tadej Pogacar oder Mathieu van der Poel wohl bei jedem Grundlagentraining fühlen. Nicht schlecht staune ich, als mich dennoch zwei Dromedare überholen: Auf der Ladefläche eines Pickups kommen sie ganz ohne Anstrengung noch schneller voran als ich 😉 Am nächsten Tag lande ich brutal auf dem Boden der Realität: Anstatt Rückenwind habe ich nun Gegenwind, und dies wieder für eine Distanz von über 200 km ohne auch nur eine Unterkunft bzw. Verpflegungsmöglichkeit unterwegs. Schon nach 40 km fühlen sich meine Beine und der Kopf müde an. Nun kommen mir die Weiten der Sahara auf einmal sehr monoton vor und nach etlichen Tagen in der Sahara habe ich erstmals – zumindest kurzzeitig – das Gefühl, genügend Sahara gesehen zu haben. Während ich gegen den Wind kämpfe, vergehen gefühlt Stunden ohne Vogelsichtung. Wenn ich einen Vogel erspähe, so handelt es sich meist um Saharasteinschmätzer – Nomen est Omen. Heute habe ich allerdings definitv keine Zeit und Energie zum Fotografieren, ich fokussiere mich ganz darauf, einigermassen gleichmässig zu fahren und so irgendwie noch vor Eindunkeln in Laayoune (Westsahara) anzukommen. Ziemlich erschöpft erreiche ich die Wüstenstadt zu Sonnenuntergang, nach beinahe 10 Stunden im Sattel – heute definitiv etwas mehr Kampf als Genuss. Bereits in den Wochen davor in der Wüste ist der Saharasteinschmätzer die häufigste Vogelart, welche ich zu Gesicht bekomme. Allerdings ist es eine ganz andere Geschichte, diese Vögel vor die Kamera zu bekommen. Ähnlich wie beim Vorzeigeeffekt verschwinden sie gefühlt jedes Mal, sobald ich die Kamera auspacke oder schon nur an das Fotografieren denke. Nach etlichen Versuchen habe ich dann doch auch einmal Glück und ein halbwegs fotogenes Individuum gefunden.
Allerdings ist auch bei diesem Individuum nach wenigen Fotos Schluss, und es sucht das Weite in der Wüste.
Solange Akazienbäume wachsen, ist mir die Landschaft trotz stundenlangen Fahrten zwischen einzelnen Ortschaften nie wirklich monoton vorgekommen. Vielleicht liegt es daran, dass ich die Akazie bislang nur aus den Tierdokus gekannt habe und daher immer das Gefühl habe, demnächst einer Giraffe oder so zu begegnen. Die Akazien spenden nicht nur Dromedaren und Eseln Schatten, sondern auch müden Velofahrern wie mir. Während ich mich im Schatten einer Akazie ausruhe, landet auf einmal ein Saharasteinschmätzer neben mir. Er hat es auf die Ameisen und andere Insekten (-larven) abgesehen.
Immer wieder kommt er vorbei, um sich einen Snack zu holen.
Wenn schon das Fotografieren des gefühlt häufigsten Vogels in der Wüste – des Sahrasteinschmätzers – eine Herausforderung gewesen ist, wie soll mir das dann bitteschön mit den selteneren Arten gelingen? Ohne allzu viele Hoffnungen habe ich mich deshalb auf in die Wüste, fernab von geteerten Strassen, auf die Suche nach Motiven gemacht.
Sanddünen sind zwar schön für das Auge, machen jedoch das Velofahren schwer bis unmöglich. Zum Glück ist die Sahara in Marokko eher eine Steinwüste, was jedoch die Reifen (und das ganze Equipment) ebenfalls vor ordentliche Herausforderungen stellt.
Auf einmal scheint ein Steinhaufen vor mir fortzurennen – eine Saharakragentrappe! Wenn ich die nur fotografieren könnte! Aufgrund der Jagd und Habitatzerstörung sind die Bestände in Marokko stark zurückgegangen. Sie kommt nur noch in fragmentierten Populationen fernab der Zivilisation und von Strassen vor. Trotz Aufregung versuche ich kühlen Kopf zu bewahren und möglichst schnell in halbwegs gebückter Haltung einen grossen Bogen um sie zu laufen. Ich lege mich auf die Steine und warte ab. Zu meiner Freude läuft sie weiterhin in die gleiche Richtung, sodass ich sie von der Seite Fotografieren kann.
Sobald sie genügend weit weg ist, stehe ich auf und laufe wiederum einen grossen Bogen um sie. Dies klappt erstaunlich gut, unbeirrt setzt sie ihren Weg fort.
So wiederhole ich das Spiel nochmals und lege mich ihr dieses Mal direkt in den Weg. Irgendwie scheint sie ihre Scheu abgelegt zu haben und scheint sogar neugierig zu sein. Was das für ein komisches Objekt ist, was ihr da im Weg liegt? Mit leicht finsterer Miene mustert sie mich.
Ich kann mein Glück kaum fassen, dass ich eine Saharakragentrappe gefunden habe, welche beinahe schon Modell steht.
Nach mehreren tausend Fotos mit dem Teleobjektiv getraue ich mich sogar auf das Weitwinkel-Objektiv zu wechseln.
Von Weitem ist die Saharakragentrappe perfekt getarnt, ihr Gefieder gleicht den Steinen bzw. dem Sand.
Total begeistert – wie kann es auch anders sein nach einer solchen Begegnung – versuche ich, die Trappe in den folgenden Tagen wiederzufinden. Zu gerne hätte ich sie auch gerne einmal bei Sonnenauf oder -untergang im goldenen Licht fotografiert. Nun wüsste ich ja eigentlich, wo ich in der riesigen Weite der Wüste mein Motiv finden sollte. Dennoch kann ich während mehreren Tagen nichts ausser Spuren der Trappe finden. Was für ein Glück ich am ersten Tag haben durfte!
Dafür begegne ich einem Wüstensteinschmätzer, der in der Morgensonne posiert.
Während ich mich morgens wieder einmal im Schatten einer Akazie ausruhe, werde ich auf einmal von den geschwätzigen Rufen des Akaziendrosslings aus dem Dämmerzustand geholt. Gleich von verschiedenen Seiten kommen die Akaziendrosslinge angeflogen.
Es dauert nicht lange und rings um mich wuseln die Drosslinge auf der Suche nach Fressbarem.
Die Aufregung ist nur von kurzer Dauer, da die Akaziendrosslinge schon bald weiterziehen.
Gemächlicher nimmt es meist der Raubwürger. Immer wieder sehe ich während dem Velofahren den Würger auf der Spitze einer kleinen Akazie oder eines Gebüsches sitzen. Aufgrund der Farbe und Postur erkenne ich ihn jeweils schon von weitem. Manche Individuen bleiben einfach ruhig auf ihrem Ansitz, während ich mit dem Velo vorbeifahre. Fotografieren lassen sie sich allerdings ebenfalls nicht so leicht. Sobald ich das Objektiv auf sie richte, verschwinden sie normalerweise schnell.
Auch wenn ich die Saharakragentrappe liebend gerne nochmals fotografiert hätte, so konnte ich immerhin einige andere Vogelarten ablichten und durfte ein paar Nächte im Zelt der Sahara geniessen. Die Stille in der Nacht, fernab der Zivilisation, und das Funkeln der Sterne haben etwas Magisches.
So bin ich nach den erfolglosen Versuchen bei der Saharakragentrappe wieder zurückgekehrt auf die asphaltierte Strasse. Mir werden die stundenlangen Fahrten in der Wüste, ohne auch nur ein Dorf zu durchqueren, lange in Erinnerung bleiben. Verkehr hatte es – wie aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte zu erwarten – ebenfalls sehr wenig. So hatte ich die Strassen meist für mich. Wenn ich dann doch einmal einem Auto begegnete, dann kam es nicht selten vor, dass der Fahrer oder die Fahrerin mir zuwinkte und den Daumen hoch streckte. Dies zauberte mir jeweils ein Lächeln auf das Gesicht, auch wenn ich von den Strapazen schon ordentlich müde war.
4 Comments
Grossartige Berichte, stimmige Bilder und alles auf einer Velotour. Habe grossen Respekt? Gueti Liecht. Christian
Merci!
Vielen Dank für den Reisebericht mit den top gelungenen Bildern und ich freue mich auf weitere Beiträge.
Beste Grüsse
Lieber Heini,
Vielen Dank für Deinen Kommentar!
LG Flurin